Radtouren
Mehr Urlaub
Bereits im Frühjahr 2001 haben wir (Catrin und ich mit Johanna, damals 1 Jahr alt) den Versuch gestartet, von Eschborn aus den Main und Rhein abwärts bis Emmerich zu fahren, wo ich geboren bin. Gehemmt durch kaltes, nasses Wetter und geschwächt durch eine hartnäckige körperliche Unpässlichkeit meinerseits haben wir jedoch lange Streckenabschnitte mit der Bahn zurückgelegt; das war also keine "richtige" Radtour. Im Sommer jedoch ergab es sich, dass ich ein paar Tage alleine Radfahren konnte. Also nahm ich die Idee wieder auf: Die Strecke von unserem Wohnort Eschborn (neben Frankfurt am Main) bis Emmerich (am Rhein an der niederländischen Grenze) sollte in drei Tagen zurückzulegen sein. Eine weitere Tagesetappe sollte ostwärts nach Ahlen (Westfalen) führen, der Heimatstadt von Catrin. Auf dieser Strecke wollte ich dem nordrhein-westfälische R4 folgen. Weiter habe ich zunächst nicht geplant; mir schwebte eine große Deutschlandrunde weiter ostwärts über Paderborn und Höxter bis zur Weser vor, danach an Weser und Fulda entlang südwärts bis Fulda und schließlich westwärts zurück zum Main und nach Eschborn. Im Endeffekt ist die Deutschlandrunde jedoch erheblich kürzer ausgefallen!
Dienstag, 04.06.02: Eschborn - Koblenz
Morgens verlasse ich das Haus gemeinsam mit Carolin. Sie geht zur Schule, ich
fahre auf Radtour. Am Vortag habe ich etwas spontan in Absprache mit Catrin
beschlossen, heute loszufahren. Schnell sind die Satteltaschen gepackt, für
mich alleine brauche ich nicht viel Gepäck.
Die
ersten 40 km den Main abwärts bis Mainz sind bekannte Strecke. An der Mainmündung
steht ein großes Radwegschild "Rhein - Rhine", gelbes Rad auf
blauem Grund, dekoriert mit etwas EU-Sternenbanner. Oh, toll, ein neuer Versuch,
einen durchgehenden Rheinradweg zu beschildern. Vielleicht wird es ja in diesem
Jahrhundert gelingen. Der Weg führt rechtsrheinisch bis Östrich, dort
ist die Beschilderung kommentarlos zu Ende. Also nehme ich die Fähre nach
Ingelheim, um linksrheinisch auf der Haupt-Radroute weiterzufahren. In Bingen
lande ich aus Versehen mitten im Bahnhof, der reusenartig in der Fahrtrichtung
liegt. Auf einer Orientierungstafel taucht - oh Wunder - wieder das Radweg-Emblem
"Rhein - Rhine" mit einem lokalen Kartenausschnitt auf.
Allerdings
ist dort eine Radwegbrücke über die Nahemündung eingezeichnet,
die es offensichtlich in der Realität nicht gibt. Bei genauerem Hinsehen
kann ich dann auch den gut versteckten Hinweis "geplant 2002" erkennen.
Hier zumindest scheint dieser Radweg das Planungsstadium noch nicht verlassen
zu haben. Toi, toi, toi!
Fahre
ich halt wieder auf die von vergangenen Rheintouren bekannte B9, die mittlerweile
sogar größtenteils von einem Radweg begleitet wird. Abschnittsweise
führen kleinere Wege näher am Rheinufer entlang. Bis Oberwesel lege
ich weitere 60 km zurück. Lästig sind auf dem gesamten Weg Myriaden
von kleinen Flugviechern, die ich mit Beinen, Armen, T-Shirt und Gesicht aufsammele.
An der Rheintal-Bahnstrecke sind immer wieder halsbrecherische Arbeiten zu beobachten;
dort kam es kürzlich zu einigen Hangabrutschen. Jetzt werden Netze über
den Hängen befestigt und reichlich Beton gespritzt.
Die
letzten 40 km bis Koblenz ziehen schwer in den Beinen. Aber immerhin: Ich habe
bei meinem Anruf am Vortag einen Platz in der Jugendherberge auf der Festung
Ehrenbreitstein bekommen! Dies ist in unserem bisherigen Radfahrerleben weder
Catrin noch mir geglückt. Gegen 17.00 Uhr komme ich dort an. Den steilen
Anstieg auf den Burgberg muss ich mir nicht mehr geben. Ich lasse sämtlichen
sportlichen Ehrgeiz sausen und schiebe mein Rad hinauf. Ich erhalte sogar noch
ein warmes Abendessen in der JH. Anschließend sitze ich im Burghof, lasse
mich von der Abendsonne wärmen und genieße das großartige Rhein-Mosel-Panorama.
Und mache mich über Horden wild pubertierender Teenies lustig, die die
Burg lautstark fest im Griff haben. Gute Strecke für den Anfang, tendenziell
mit Rückenwind. Beim Einschlafen stört ein wenig der Laptop-klappernde
Japaner im Bett gegenüber.
146 km, Netto-Durchschnitt 20,5 km/h (ohne den Anstieg zur Ehrenbreitstein :-)
Mittwoch, 05.06.02: Koblenz - Düsseldorf
Frühstück
gibt es in der JH schon ab 7.00 Uhr, klasse, da bin ich schon früh auf
den Beinen. Los geht's um 7.35 Uhr. Zuerst abwärts, aber ausgebremst vom
morgendlichen Berufsverkehr in Koblenz. Weiter zurück über die Rheinbrücke,
dann die Mosel überqueren. Endlich bin ich wieder auf dem richtigen Weg.
Zäh lässt sich das Fahren an, mein "zweite-Tag-Phänomen"
macht sich bemerkbar. Die weitere Strecke bleibt ereignislos, bis irgendwann
vor Bonn die Rheinpromenaden schöner und die Cafés zahlreicher werden.
Ab hier ist auch ein "Erlebnisweg Rheinschiene" ausgeschildert, der
160 km bis nach Orsoy nördlich von Duisburg führt. Der NRW-Radweg
R17 (Rheinradweg) ist fast unkenntlich, aber die "Rheinschiene"-Schilder
sind vorbildlich verteilt. Unterwegs stehen immer wieder große Informationstafeln
zu allerlei Wissenswertem an der Strecke. Der Weg führt in Wesseling durch
die Degussa-Werke, dann weiter nach Köln-Godorf, vorbei an der riesigen
Shell-Raffinerie. Köln lasse ich ohne Aufenthalt hinter mir und fahre unter
Umgehung der Ford-Werke stumpf weiter. Ich bin schließlich nicht zum Spaß
hier, sondern zum Radfahren. Mittlerweile spüre ich meine Beine recht deutlich.
Ich bin froh, dass ein leichter Rückenwind schiebt. Hinter Köln wird
es allmählich "niederrheinischer": Flache Wiesen, Deiche, weites
Vorflutgelände bis zum Fluss. Ich fahre an der sehenswerten Stadt Zons
vorbei. Die Rheinschlinge bei Düsseldorf begradige ich unter Zuhilfenahme
zweier Rheinbrücken. Leider fängt es jetzt an zu regnen, aber das
ist auf den letzten 15 km auch nicht mehr so schlimm.
Endlich
erreiche ich kurz vor 18.00 Uhr die JH Düsseldorf, die sich mangels größerer
Erhebungen direkt am Rheinufer befindet. Auch hier habe ich bereits vor zwei
Tagen ein Bett reserviert. Hurra, ich bekomme sogar noch ein Abendessen. Leider
gibt es keinen gescheiten Aufenthaltsraum, und draußen regnet es immer
noch. Schließlich lässt der Regen nach und ich mache mich etwas lustlos
auf den Weg, irgendwo noch ein Bier zu trinken. Immerhin bin ich in der Altbierstadt
Düsseldorf. Dann lande ich schließlich doch noch stilecht in der
Brauereigaststätte Schumacher in der Altstadt und komme sofort mit den
Nachbarn am Stehtisch ins Gespräch. Die rheinische Leutseligkeit hebt sich
wohltuend von der gewohnten Frankfurter Muffeligkeit ab. Kurz nach 22.00 Uhr
liege ich bereits im Bett. Allerdings schalten meine nachfolgenden Zimmergenossen
ungeniert das Licht wieder an, rascheln stundenlang und halten sogar noch muntere
Schwätzchen, bis ich meinen Unmut darüber ausdrücke. Danach wird's
ruhiger.
169 km, Netto-Durchschnitt 20,0 km/h (bin ich mit zufrieden)
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© Martin Taplick, 19.09.2002. Letzte Änderung am 09.03.2008