Radtouren
Mehr Urlaub
Lange Zeit haben wir hin- und herüberlegt - was machen wir mit unserem Sommerferienfamilienurlaub 2002? Carolin hätte eine Pauschalreise mit gepflegtem Warmwasserpool, Kinderbetreuung rund um die Uhr und Minidisco am Abend vorgezogen. Unser Mallorca-Pauschalurlaub 2000 war ihr offensichtlich in guter Erinnerung geblieben. Wir Eltern waren eher für Radfahren, und so haben wir einen Kompromiss gefunden: Radfahren! Uns fehlen ja noch einige Radfernwege in unserer Sammlung. Da uns aber die Ostseeküstentour von 1997 in so guter Erinnerung geblieben ist, beschlossen wir, abermals an die Ostsee zu fahren. Auch interessierte es uns, ob der Ostseeküstenradweg mittlerweile besser ausgebaut und beschildert ist als bei der letzten Tour vor fünf Jahren. Um die tägliche Quartiersuche zu entschärfen, wollten wir Zelt, Isomatten und Schlafsäcke mitnehmen. Damit war auch Carolin wieder ausgesöhnt, sie findet Zelten toll.
Unsere Radausrüstung war dieselbe wie bei unserer letztjährigen Tauber-Altmühl-Tour: Johanna (2 Jahre) saß im Hänger, den ich gezogen habe. Carolin (fast 7 Jahre alt) wurde auf ihrem Kinderrad sitzend mit einer "Kopplungsstange" (Trail-Gator) von Catrin gezogen. Diese Stange wird zwischen Sattelstütze des ziehenden Rades und dem vorderen Rahmen des Kinderrades montiert. Das Vorderrad vom Kinderrad wird dabei angehoben und der Lenker fixiert. Zur Verdeutlichung zwei alte Fotos.
Dienstag, 16.07.02: Anfahrt Eschborn - Hamburg
Am Vorabend haben wir unsere Fahrräder probegepackt, um sicherzugehen,
dass wir alles verstauen können. Nun ja, es passt alles, aber wir sehen
trotzdem aus wie zwei Miniatur-Trucks. Zur gemäßigten Zeit stehen
wir morgens auf, packen die Räder und fahren um neun Uhr los zum 10 km
entfernten Frankfurter Hauptbahnhof. Mit gemütlichem Zeitpuffer verfrachten
wir unser Gepäck in den InterRegio nach Hamburg. So am Dienstag ist er
recht leer, wir besetzen einen Tisch und breiten uns aus. Der Zugführer
ist ultrafreundlich und schleppt uns sogar noch den Anhänger ins Fahrradabteil.
Die Kinder sind gut drauf. Johanna spielt Ball quer durch den halben Waggon.
Nach 4 Stunden Fahrt schläft sie endlich ermattet ein und kann jetzt nur
noch eine Stunde schlafen bis zu unserer Ankunft um 15.28 Uhr in Hamburg. Eine
durchgehende Zugverbindung ist wirklich sehr bequem, wir haben in vergangenen
Familientouren genug Umsteigestress gehabt.
Nachdem
wir im Bahnhof Hamburg endlich Räder, Kinder und Gepäck per Aufzug
hinausbefördert haben, fahren wir als erstes zu einem großen, wunderbaren
Kinderspielplatz im Park "Planten un Bloomen". Sand, Wasser, Rutschen,
Klettergerüste - alles, was ein Kinder- und Elternherz begehrt. Carolin
und Johanna toben los, sauen sich ein und sind glücklich. Um halb sechs
fahren wir weiter zu Jürgen, dem Freund von Catrin. Hier werden wir die
erste Nacht verbringen. Seine Wegbeschreibung ist gut. Zwischendurch kommen
wir zufällig am Hans-Henny-Jahnn-Weg vorbei, wo ich die neuerbaute Zentrale
meines Arbeitgebers kurz von außen bewundere. Um sechs Uhr kommen wir
in Hamburg-Barmbeck bei Jürgen an. Johanna fasst rasch Vertrauen zu ihm
und himmelt ihn an ("Hand gehen!"). Wir fahren mit den Rädern
zum Goldbeck-Haus Abendessen, wo wir ab und zu unsere Kinder durchzählen
müssen, um sicherzugehen, dass keines in den angrenzenden Fleet gefallen
ist. Spät fahren wir wieder zurück, alle sind müde. Jürgen
fährt gleich weiter zu seiner Freundin und überlässt generös
seine Wohnung uns.
24 km, Netto-Durchschnitt 13,9 km/h (Die Tour hat ja auch noch nicht richtig begonnen!)
Mittwoch, 17.07.02: Hamburg - Bad Segeberg
Faul sind wir spät aufgestanden und haben uns ein Frühstück
in der fremden Küche zusammengesucht. Der graue Himmel und der leichte
Nieselregen motiviert uns nicht so recht. Erst um 10.30 Uhr fahren wir los,
der Niesel hat zwischendurch aufgehört. Wir fahren die Alster entlang nach
Norden. Es gibt hier nur einen Alsterwanderweg, keinen echten Radweg, deswegen
weist der Weg gelegentlich Treppen auf - toll. Was unter normalen Umständen
nicht so wild wäre, wird mit unserem Tross bestehend aus Kinderanhänger
und Kinderrad mit Trail-Gator Kopplungsstange immer zu einer sportlichen Übung.
Aber das kennen wir ja schon von unserer Ostsee-Tour 1997 (mehr Böses über
Hamburger Radwege bei Frank
Bokelmann).
In den Außenbezirken wird die Alster schmaler und die Wegführung
unsicherer. Wir verfahren uns an derselben Stelle wie bereits vor 5 Jahren.
Erste Pause nach 23 km an einem Spielplatz. Bei leicht einsetzendem Regen dann
weiter. Wir verlassen die Alster und haben Schwierigkeiten, den in der Radkarte
markierten Weg zu identifizieren. Mal wird der Regen schwächer, dann wieder
stärker. Nach
30 km erreichen wir den Stadtrand von Hamburg. Wir sind beeindruckt, welche
Ausmaße diese Stadt hat. Über kleine Sträßchen fahren
wir Richtung Norden im mittlerweile stetig fallenden Landregen. Zu einer Pause
hat keiner mehr Lust, bis wir schließlich doch einkehren und uns mit heißen
Getränken aufwärmen wollen. Catrin ist ziemlich groggy, hält
aber trotzdem noch tapfer die maulende Carolin bei Laune. Endlich finden wir
nach 64 km in Neversdorf das Gasthaus "Waidmanns Ruh". Es eignete
sich aber auch für Radlers Ruh. Die Wirtin ist schrecklich nett und bietet
uns gleich an, unsere Klamotten in den Trockner zu werfen, was wir dankend annehmen.
(Dfür etwas Werbung: Gasthof Waidmanns Ruh, Familie Goldbohm, Hauptstr.
69, 23816 Neversdorf, 04552/278. Spezialitäten aus eigener Schlachtung,
Liegewiese am See, Komfortzimmer). Wir überlegen kurz, ob wir nicht einfach
hierbleiben sollen, verwerfen den Gedanken aber wieder - rundherum scheint nur
Niemandsland zu sein. Ein Telefonat mit der Jugendherberge Bad Segeberg verschafft
uns dort einen Platz, also raffen wir uns auf und fahren die letzten 12 km durch
die sanften Hügel und den etwas weniger sanften Regen. Immerhin ist es
kein kalter Regen. Erst um 19.00 Uhr treffen wir bei der JH ein, ziemlich nass
und kaputt. Rasch trockenes Zeug anziehen, Regenjacke darüber und ab zum
Markplatz in eine sehr nette Kneipe, ähnlich dem alten Ararat in Münster
(seufz!). Viel Feta auf der Speisekarte. Die Kinder sind sehr lieb, aber auch
ziemlich müde. Als wir anschließend zurück in der JH sind, schlafen
sie sehr schnell ein, wir nicht viel später ebenfalls.
75 km, Durchschnitt nicht notiert
Donnerstag, 18.07.02: Bad Segeberg
Die
ganze Nacht regnet es ununterbrochen. Mitten in der Nacht werden wir Eltern
durch einen mordsmäßigen Donnerschlag geweckt. Am Morgen fällt
weiterhin Regen. Wir verlängern unseren Aufenthalt in der JH um einen Tag,
in diesem Regen wollen wir nicht weiterfahren. Erst Frühstück, dann
gammeln. Später am Vormittag ziehen wir zu Fuß mit Regenkleidung
zur Kalksteinhöhle. Die Kinder zählen Nacktschnecken auf dem Weg,
Carolin verliert bei 137 Stück irgendwann den Faden. Die Höhle ist
wenig spektakulär, aber ein Zeitvertreib. Carolin findet die Führung
jedenfalls interessant. Danach machen wir einen Stadtrundgang mit Halt an jedem
Wackeltierchen und Elektroschockelteil in der Fußgängerzone. Mittagsrast
in einer Dönerbude. Wenn das Wetter schlecht ist, muss man wenigstens gut
essen - das hebt die Stimmung. Spätmittagsschlaf in der JH, Johanna wird
erst um viertel vor fünf wieder richtig wach. Zwischenzeitlich lässt
der Regen sogar etwas nach. Mutig
wollen wir mit den Rädern eine 8 km Rundtour um den See wagen, aber als
es wie auf Kommando wieder stärker zu regnen beginnt, geben wir die Idee
sofort wieder auf. Wir vertreiben uns irgendwie die Zeit. Der Wetterbericht
in den Frühabendnachrichten berichtet von Unwettern und unglaublichen Regenmengen
im Norden Deutschlands.Ein gelungener Start in den Campingurlaub, plitsch, platsch.
Die nächsten Tage sollen wechselhaft und nass bleiben. Noch einen Tag länger
hat die JH keinen Platz mehr für uns, wir wollen sowieso auf jeden Fall
weiter. Wir telefonieren die Jugendherbergen in der Umgebung ab, alles voll
für den nächsten Tag. Wir werden versuchen, morgen in Lübeck
eine Unterkunft zu finden. Abends wieder in die nette Marktkneipe vom Vortag.
Diesmal ist Johanna knatschig drauf, wir gehen zurück und bringen die Kinder
ins Bett. Danach lesen wir noch etwas im Clubraum.
© Martin Taplick, 19.09.2002. Letzte Änderung am 08.03.2008