Radtouren
Mehr Urlaub
Freitag, 19.07.02: Bad Segeberg - Lübeck
In dieser Nacht werden wir weder durch Regenrauschen noch durch Donner geweckt,
am nächsten Morgen ist es - nun ja - nicht grade trocken, aber es regnet
nicht. Von anderen Radfahrern, die gestern unterwegs waren, hören wir Horrorgeschichten
von abgesoffenen Unterführungen und zu Bächen verwandelten Wegen.
Motiviert machen wir uns also auf Nebenstraßen auf den Weg Richtung Lübeck.
Zwischendurch ruft Catrin nochmals in der Altstadt-JH in Lübeck an. Oh
Wunder, im Gegensatz zum gestrigen Telefonat ist heute ein Zimmer frei. Wir
fahren die 35 Kilometerchen in einem Rutsch. Zwischendurch sehen wir immer wieder
Seen, die nicht auf unserer Karte verzeichnet sind; überschwemmte Wiesen
und Felder. Einige Male bahnen sich die Fluten ihren Abfluss quer vor uns über
die Straße. Die Abzugsgräben rechts und links des Weges sind übervoll.
Schon
um 12.00 Uhr beziehen wir unser JH-Zimmer. Danach laufen wir durch die sehenswerte
Altstadt. Vor dem Rathaus schauen und hören wir interessiert einer Wasserglasmusikantin
zu. Die Kinder bespielen intensiv ein Kletter-Rutsch-Gerät in der Fußgängerzone.
Dann erklimmen wir (allerdings per Fahrstuhl) den Kirchturm St. Petri und schauen
uns Lübeck von oben an. Anschließend holen wir unsere Badesachen
und laufen zum Zentralbad, wo Freitags lt. Auskunft der Herbergsmutter Warmbadetag
sein soll. Zu unserer Enttäuschung lesen wir dort auf einem Schild, dass
alle städtischen Bäder grade Sommerpause machen. Alle gleichzeitig.
Toll. Ein dicker Minuspunkt für die Kommunalverwaltung Lübeck, die
offensichtlich nur für Schönwettertouristen plant.
Es
fängt an zu nieseln aus dem bleigrauen Himmel. Als Ausgleich bekommen die
Kinder ein Eis und die Eltern einen Cappuccino. Dann gehen wir zu Karstadt in
die Spielwarenabteilung, wo sich die Kinder über eine Stunde lang vergnügen.
Anschließend rennen wir durch den Regen rasch ein paar Schritte in die
Königspassage, wo ein Spielwarenladen mit Rutsche, Brio-Eisenbahnen und
diversen anderen Kinderbelustigungen unseren Kindern eine weitere Stunde Kurzweil
beschert. Gegen 18.45 Uhr laufen wir zurück zur JH, ziehen uns um und suchen
ein Restaurant zum Abendessen. Johanna verputzt eine gute Portion Spaghetti
und Carolin bestellt sich zu unserer Überraschung einen Eisbergsalat mit
Mozarella, von dem sie sogar recht viel isst. Ihr pommesgestählter Körper
fordert wohl ein paar Vitamine, hähä. Nach diesem Kinder-Regennachmittag
schlafen beide schnell ein. Kurzer Abendspaziergang mit Brauereibier für
uns.
35 km, Netto-Durchschnitt 15,9 km/h.
Samstag, 20.07.02: Lübeck - Boltenhagen-Tarnewitz
In
Lübeck gibt es ein reichhaltiges Frühstück. Nach unserem Aufbruch
kümmert sich Catrin um ein Zimmer. In der JH Boltenhagen geht nur der Anrufbeantworter
dran, eine effektive Methode, spontane Gäste abzuwimmeln. Aber in der JH
Wismar bekommen wir ein Zimmer für die darauffolgende Nacht, also von Sonntag
auf Montag. Wir fahren erst mal weiter und vertrauen auf unser Glück und
Catrins Zimmerorganisationstalent. Wegen
der unschönen Fahrradroute nach Travemünde - viel Bundesstraße,
wenig Gegend - legen wir die Strecke, auch zur Erbauung unserer Kinder, mit
dem Schiff zurück. Um 11.30 Uhr legen wir in Travemünde an. In der
JH Boltenhagen meldet sich nach wie vor nur der Anrufbeantworter, aber Catrin
organisiert irgendeine andere Bleibe aus unserem Ostseeküsten-Radwegführer.
Mit der Auto-Pendelfähre setzen wir nach Priwall über. Dort gibt es
eine Sandskulpturen-Ausstellung; die Reklameplakate haben wir schon seit gestern
gesehen. Die
5,50 € pro Nase für die vom Unwetter arg zerzauste Sandkunst ist uns
dann aber zu viel, zumal wir auch als Zaungast den Eindruck bekommen, dass dieser
Preis nicht angemessen ist. Stattdessen feiern wir die Ankunft an der Ostsee
mit einem Strandpicknick. Die Kinder platschen barfuß in den großen
Pfützen herum. Beeindruckend sind die vergleichsweise riesigen Trelleborg-Fähren,
die sich dicht am Strand entlang seewärts schieben.
Es bleibt trocken, wenn auch bewölkt. Schließlich fahren wir mit
dem Rad auf den Ostseeküstenradweg. Kilometerlang zieht sich ein Kolonnenweg
dahin, Betonplatten rechts und links mit Löchern und Bewuchs, in der Mitte
häufig Matsch. Aber eine schöne Gegend! Es geht stetig die Dünen
bergauf und bergab. Danach
fahren wir durch das nach Heiligendamm zweitälteste Ostseebad Boltenhagen.
Hier ist viel los; es sieht alles recht neu und frisch aus. Hinter dem Ortsteil
Tarnewitz biegen wir wieder auf einen rumpeligen Schlammweg ein, an dem wir
ca. 2 km später auf eine Bruchbude namens "Radler-Café"
treffen. Zu meiner Überraschung eröffnet mir Catrin, dass hier unser
Nachtquartier sei. Hm. Uralt-Mobiliar, herumstehendes Gerümpel, Klo und
Dusche am anderen Ende des Hauses. Die Grenze zwischen Gästebereich und
Wohnbereich der zwei Schwestern, die das Anwesen bewirtschaften, ist fließend.
Auf den zweiten Blick sieht die Sache gleich anders aus: Die Besitzerin probt
nachhaltige Bewirtschaftung, sammelt noch die Eislutscherstiele getrennt und
ärgert sich (zu Recht) über die Zwangsmüllgebühr, obwohl
sie den kleinen Anteil Restmüll auf eigene Kosten zur Mülldeponie
karrt. Beim Kauf des Anwesens kurz nach der Wende hat sie sich nach eigener,
bereitwilliger Auskunft böse über den Tisch ziehen lassen, jetzt fehlt
das Geld halt bei der Renovierung.
Noch eine weitere Familie macht hier ein paar Tage Urlaub. Carolin sammelt mit
einem Gästekind begeistert lebendige Schnecken. Ich ändere mein hartes
Urteil "Bruchbude" ab in "unterstützenswert". Also,
bei der nächsten Radtour: Macht Pause im Radlercafé!
Später fahren wir zum Abendessen zurück aus der Wildniz nach Tarnewitz.
Im "Landhaus Tarnewitz" essen wir zwar nicht gut, aber teuer. Das
Essen scheint ein Bofrost-Menue zu sein. Wir müssen schrecklich lachen,
weil uns die Wirtin vom Radlercafé zuvor generell von jeglicher Gaststätte
in Mecklenburg-Vorpommern abgeraten hat: "Die kochen alle wie zu DDR-Zeiten!".
Den Kindern ist's egal, sie kriegen Kartoffelpuffer und einen Spielplatz auf
der gegenüberliegenden Straßenseite geboten. Abends sitzen wir Eltern
noch vor unserer Unterkunft, bis es uns zu dunkel und zu kalt wird.
36 km, Netto-Durchschnitt 13,6 km/h
© Martin Taplick, 19.09.2002. Letzte Änderung am 08.03.2008